Salam und der Friede Gottes sei mit euch, liebe Geschwister im Islam und in der Menschlichkeit,

Die Nacht der Bestimmung“ [lailat-ul-qadr], die wichtigste Nacht im islamischen Kalender, rückt immer näher. Es ist die Nacht, in der das gewaltigste Ereignis der gesamten Weltgeschichte stattgefunden hat, ein Ereignis, welches für alle Lebewesen von höchster Bedeutung ist. In dieser Nacht wurde das Herz des Propheten gefüllt mit dem Inhalt des Heiligen Qur’an.  Und nicht zufällig haben sich auch andere Ereignisse in späteren Jahren zur Zeit dieser Nacht ereignet, wie das Märtyrium von Imam Ali (s.), dem Führer der Gläubigen und Ehemann der besten Frau aller Welten.
Der Heilige Qur’an widmet dieser Nacht eine ganze Sure (97) in der es sinngemäß heißt:

„Wir haben ihn in der Nacht der Bestimmung hinabgesandt.
Und woher sollst du wissen, was die Nacht der Bestimmung ist?
Die Nacht der Bestimmung ist besser als tausend Monate.
Die Engel und der Geist kommen in ihr mit der Erlaubnis ihres Herrn herab mit jedem Befehl, (des) Frieden, ist sie bis zum Aufgang der Morgenröte.“

Tausend Monate entsprechen etwa 83 Jahren, also ungefähr einem Menschenleben! Allein die Tatsache, dass der Heilige Qur’an herabgesandt wurde, sollte uns dazu veranlassen mit großer Aufmerksamkeit und Sehnsucht diese Nacht vorzubereiten, indem man sich selbst vorbereitet.

Wie können wir nun uns InschaAllah am besten vorbereiten?

Es gibt viele verschiedene Empfehlungen von unseren Imamen und hohen Geistlichen, wie das Verlesen von Duas oder das Verrichten von bestimmten Gebeten und vieles mehr (siehe dazu eine Sammlung). Eines dieser wunderschönen Duas welches normalerweise an solchen heiligen Nächten verlesen wird ist das Bittgebet der großen Rüstung [dschauschan-ul-kabir], mit dem man Gott mit 1001 seiner Namen lobpreist.

Der Sinn dieser Duas und Bittgebete liegt natürlich darin, Gott näher zu kommen und sich selbst spirituell in dieser Nacht zu erhöhen. Jedoch ist es schwierig, sich spirituell auf Gott zu konzentrieren, wenn mein keine Einsicht tief in das eigene Innere hat und sich selbst noch nicht studiert hat. Denn wie Imam Ali (s.), der in einer Laylatul Qadr Märtyrer wurde, sagt:

„Wer sich selbst erkennt, der erkennt seinen Herrn“

Doch wie kann man sich selbst erkennen? Wie kann man spirituell tief in sich hinein gehen, um Erkenntnis zu erlangen? Wo muss ich anfangen?

Abu Hamid Ghazzali erklärt in seinem „Elixier der Glückseligkeit“:

„Denn wer sich selbst und seinen Herrn erkannt hat, der weiß mit Gewissheit, dass er kein Dasein von sich selber hat, sondern dass sein Dasein und die Erhaltung und Vollkommenheit seines Daseins von Gott und zu Gott und durch Gott ist“,

Man soll sich selbst Fragen stellen: Woher komme ich? Wohin gehe ich? Warum BIN ich überhaupt? Was ist der Sinn meines Daseins? Sind meine Handlungen und Gedanken diesem Lebenssinn und Zweck gewidmet oder arbeite ich vielmehr gegen den Sinn meiner eigenen Schöpfung?

Der Monat Ramadan ist die beste Zeit, in Ruhe tief in unser Inneres zu blicken. Gerade jetzt wo wir geübt haben und weiterhin trainieren, unsere körperlichen Triebe durch das Fasten zu kontrollieren. Dadurch erreichen wir etwas weniger Ablenkung durch das Weltliche, und somit ist die Chance groß, uns auf uns selbst besser fokussieren zu können und den Weg der Vervollkommnung zu beschreiten.

Praktische Tipps

In der Islamischen Selbsterziehungslehre sind folgende Schritte als Voraussetzung empfohlen um den Weg der Vervollkommnung zu ebnen. Sie bieten sich für uns an diesen heiligen Tagen und Nächten an:

1) Innere Einstellung begutachten
In diesem Schritt sollten wir unseren inneren Zustand (Gefühle, Eindrücke) begutachten und uns selbst fragen: sind wir zufrieden? Wie ist unser Wohlbefinden im allgemeinen? Sind wir zufrieden mit unseren Taten oder gibt es eine innere Unruhe?
Hier empfiehlt es sich, genug Zeit einzuplanen, um in Ruhe und ohne jegliche Störungen darüber nachzudenken (z.B. Nachts).

2) Seelische Krankheiten und gute Angewohnheiten identifizieren.
Nachdem wir den ersten Schritt vollzogen haben, können wir die Gründe identifizieren die zu obigen positiven bzw. negativen Gefühlen geführt haben: Wann treten diese seelischen Krankheiten bei mir immer auf und wie kann ich die guten Gewohnheiten bei mir vermehren?

3) Sich vornehmen diese Krankheiten zu heilen und die guten Gewohnheiten zu fördern.
Hier sollte man eine angemessene und nicht übertriebene Planung vornehmen, die ganz genau die Krankheit betitelt und die Vorgehensweise deutlich macht. Beispielsweise: „Jedes Mal, wenn ich eine Aufgabe jetzt erledigen kann, verschiebe ich sie nicht auf morgen.“ Oder: „Zu jedem Termin plane ich grundsätzlich 10 Minuten eher da zu sein (um letztendlich nicht zu spät zu kommen).“

Was gibt es schöneres, als mit der Absicht uns selbst zu erkennen und unsere Seelen verbessern zu wollen in diese heilige Nacht in der unsere Bestimmung und uns Schicksal (qadr) bestimmt wird, einzutreten und dafür Dua zu machen?

Erst wenn wir uns selbst erkennen, können wir uns annähernd der Größe unseres Schöpfers bewusst werden, und dann haben wir vielleicht eine Chance seine wunderschönen Attribute zu verstehen.

Erst dann, wenn wir uns vornehmen, uns loszusagen von unseren Sünden werden wir die überdimensionale Bedeutung folgender Sätze verstehen und erst dann können wir sie voller Liebe und Hoffnung aussprechen:

سُبْحانَكَ يا لا اِلـهَ إلاّ اَنْتَ الْغَوْثَ الْغَوْثَ الْغَوْثَ صَلِّ عَلى مُحَمَّدٍ وَآلِهِ خَلِّصْنا مِنَ النّارِ يا رَبِّ

Gepriesen bist Du, o außer Dem es keinen Gott gibt.
Hilfe! Hilfe!
Befreie uns von dem Höllenfeuer, o Herr.